Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche!
„Interessenten haben Angst, keine Immobilie mehr zu finden – und kaufen fast alles“
Kamil Platzek ist zertifizierter Sachverständiger für Immobilienbewertung und Bauschäden und Inhaber der Gutachtermanufaktur. Er muss Kaufinteressenten immer wieder auf den Boden der Realität zurückholen. Etwa bei einem dreigeschossigen Fachwerkhaus, keine 50 Kilometer von Stuttgart entfernt, idyllisch, mit kleinem hölzernem Bänkchen neben der Eingangstür. Ein bepflanzter Balkon schließt sich auf der linken Seite an und führt in einen Garten. Insgesamt knapp 500 Quadratmeter Grundstück, drinnen acht Zimmer. Das ehemalige Bauernhaus sei vor rund 200 Jahren erbaut und erst vor ein paar Jahren renoviert worden, heißt es im Makler-Exposé. Und: Für das Haus gebe es weder Pläne noch Wohnflächenberechnung. Die Verkäufer wollen dafür rund 400.000 Euro.
Viel zu viel, findet Platzek. Er hat die Immobilie für einen Kaufinteressenten auf 293.000 Euro geschätzt. „Die Verkäuferseite hat da alles in Eigenregie modernisiert. Das wurde in der eigenen Bewertung nicht berücksichtigt.“ So hätten die Eigentümer neue Fenster eingebaut, ohne das Denkmalamt mit einzubeziehen. „Das hat in diesem bestimmten Fall aber Mitspracherecht. Da könnten die Kosten nach dem Kauf ins Unermessliche steigen.“ Außerdem seien die Wohnflächen falsch angegeben worden. Platzeks Klienten kauften nicht. Das Objekt steht immer noch zum Verkauf.
Platzek kennt viele solcher Fälle. Einem gekauften Gaul sollte man eben genau ins Maul schauen. Das hat er beispielsweise bei einer Dachgeschosswohnung in der 10.000-Einwohner-Stadt Engen in der Nähe des Bodensees erlebt. Die hellblaue Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes ist gepflegt, im Erdgeschoss ein Ladengeschäft. Die Wohnung unterm Dach hat 106 Quadratmeter und sieht auf den ersten Blick relativ gut aus, sagt Platzek. Der Preis von knapp 290.000 Euro sei erst mal gerechtfertigt gewesen.
Alles kann – nichts muss
Doch ein Gang in den Keller zeigte „massiv feuchte Wände“. Ergebnis: gut 70.000 Euro Wertminderung. „Der Makler und der Verkäufer haben diese Tatsache enorm runtergespielt und sind da gar nicht drauf eingegangen“, sagt Platzek. Der Makler sei wegen der gefundenen Schäden gar „erbost“ über ihn gewesen. Schlussendlich sei die Wohnung dann für 240.000 Euro verkauft worden. 20.000 Euro über Platzeks Schätzung, aber auch 50.000 Euro unter dem Angebotspreis.
Sachverständige ersparen Kaufinteressenten in solchen Fällen viel Ärger und hohe Kosten. Fallen Mängel erst nach Kauf auf, ist es oft schwer, den Verkäufer noch heranzuziehen.